Es gibt in der etwas abstrakteren Musik ein paar Motive, die nie langweilig werden, vorausgesetzt sie gelingen. Eines davon ist die mit vielen kleinen Spannungsmomenten in der genau richtigen Unbestimmtheit gehaltene Steigerung von Intensität und Klangfülle, die sich – ausgehend von einem eher zaghaften Bündeln von Energie – an einem eruptiven Höhepunkt entlädt und ein ungewisses Nachspiel einleitet. Da denken manche an Aristoteles und die klassische Tragödie, fröhlichere Zeitgenossen vielleicht an Sex, wieder andere an Postrock, ein ganzes Musikgenre, dem dieses Motiv, so hört man bisweilen, seine Existenz sichert.
Ein Grund, warum man die vorliegende Kollaboration von Oren Ambarchi, Massimo Pupillo und Stefano Pilia, über deren zahlreiche Zusammenarbeiten (siehe tags am Fußende der Besprechung) man ein dickes Buch schreiben könnte, nicht unbedingt Postrock nennen sollte, liegt in der Tatsache begründet, dass die Bewegungen auf “Aithein” nicht hinter einem milchigen Film verborgen sind und ihnen jeglicher lustlose Phlegmatismus fehlt.
Aufgenommen wurde das Werk vor zirka einem Jahr bei einem Konzert in Bologna, und dem Titel sowie einigen spärlichen Angaben zufolge sind die beiden Tracks von verschiedenen Konzepten des Äthers inspiriert, einem Element, dass nach antiken Kosmologien den Weltraum ausfüllt und als reine Form von Feuer ebenso wie von Luft betrachtet wurde. Etymologisch abgeleitet ist der Begriff dann auch vom Verb αἴθειν für “glühen”, das hier als Titel verwendet wurde. Ebenso dachte man, dass der Äther die basale Substanz der Planeten und Sternen bilde, und in der Dynamik eines planetarischen Entstehungsprozesses könnte man eventuell einen Bezug zur in der Musik vollzogenen Bewegung sehen.
Das gut zwölfminütige “Burn” ist noch recht verhalten und wirkt auf den ersten Eindruck wie ein Intro: Zwei Gitarren, die sich über weite Strecken geradeso als solche zu erkennen geben und auch der Stille ihren Raum lassen, zeichnen unbestimmte, dezente Figuren in den Raum, bei denen man angesichts des Titels an das Ausbrennen einer Glut denken mag, doch dies ist trügerisch – unterschwellig lodert es immer deutlicher, die Sounds geraten mit der Zeit lauter, brennender, schmerzhafter, selbst kleine Eruptionen finden statt, auch ohne die Drums, auf die man schon sehnlichst wartet. Immer mehr erinenrt das Stück an ein Glühen, das jederzeit in einen offenen Brand übergehen kann, und das wird es auch – am Übergang zu Shine, dass das eigentliche Hauptstück des Albums ist.
Bei dem inhaltlich zweigeteilten Stück greift Ambarchi dann auch zu seinen Drumsticks: Verspielt und minimalistisch wird zunächst nur mit den Hihats Spannung erzeugt, das Rumoren von Bass und Gitarre zeigt, dass sich hier etwas Größeres zusammenbraut, und nachdem sich die Perkussion auf eine etwas zerfranstere Struktur eingespielt hat, registriert man irgendwann ganz schnell den Zuwachs an Intensität. Heftige Trommelwirbel und eindringliche repetitive Melodie-Patterns, Soli, die streckenweise wie Schreie klingen, all dies und einiges mehr bis zum tosenden, ekstatischen Höhepunkt. Natürlich geht es noch weiter – tänzelnd, knarrend, zunächst ein kleines Nachbeben, dann beinahe so heftig wie vor den Knall und zum Schluss sogar für Minuten so etwas wie Rock.
Zuverlässigen Angaben zufolge sollen von den 180 chicen schwarzen Scheiben nur noch wenige zu ergattern sein, der Rest ist Bandcamp. (U.S.)
Label: Karlrecords