V.A.: Water, Water

Wenn fast täglich immer wieder die Unberechenbarkeit des POTUS ins Feld geführt wird – als positive strategische Eigenschaft vom Mann mit den kleinen Händen selbst oder aber als Kritik am erratischen Verhalten von seinen Gegnern-, so trifft das sicherlich auf den delirierenden Außenpolitiker Trump zu, aber weniger auf den Innenpolitiker, dessen Zielsetzung in allen Bereichen durchaus konstant ist: Deregulierung und Privatisierung, egal ob bei Schule, Krankenversicherung, Umwelt- oder Verbraucherschutz.

In den letzten Jahren hat sich Timothy Renner verstärkt politisch positioniert, musikalisch am explizitesten mit seinem Genrehybrid Albatwitch, aber auch mit persönlichen Äußerungen. Diese Download-Compilation unterstützt die „Charity: Water“, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen in Entwicklungsländern Zugang zu sauberem Wasser zu ermöglichen. Insofern hat das scheinbar wenig mit der Politik in den USA zu tun. Es bedarf aber vielleicht nicht allzu großer imaginativer Kraft, um sich vorzustellen, dass all diejenigen, für die Krankenversicherung ein Privileg und kein Recht ist, sicherlich auch keine Probleme damit haben, Trinkwasser zu einem Geschäft zu machen. Wie schnell Trinkwasser im reichsten Land der Erde zur Mangelware werden kann, zeigt paradigmatisch sicherlich Flint in Michigan.

Auf der “Water, Water”-Zusammenstellung, die als Download verfügbar ist, sind eine Reihe von Künstlern vertreten, von denen einige dem Label oder Renner schon seit Jahren verbunden sind und natürlich finden sich eine Vielzahl von Bands und Projekten, die sich im weitesten Sinne dem Folk zuordnen lassen: So etwa Alistair Galbraith, der mit „Slavery“ einen reduzierten, zurückhaltenden Folksong vorlegt. Stone Breath-Mitglied Sarada spielt auf „The Midnight Feast“ einen verrauschten LoFi-Folk, In Gowan Ring steuern mit „Rivertime Tones“ eine etwas weniger fragil klingende Version des ursprünglich auf “The Twin Trees” veröffentlichen Stücks bei. Eyeless in Gazas Martyn Bates begleitet seine entrückte Stimme auf “Unanswered” mit Akustikgitarre, Renner selbst ist als Time Moth Eye mit „Rattlesnake in the Rabbitsden“ vertreten, einer düsteren von Harfe und unheimlichen Stimmen untermalten Version des ursprünglich als Folk/Metal-Hybrid auf dem zweiten Albatwitch-Album veröffentlichten Stücks. Wesentlich weniger finster klingt der alte Stone Breath-Gefährte Prydwynn (with Quickthorn), der auf „A Touch of Hemlock“ seine an Martyn Bates erinnernde Stimme von Glocken und Flöte untermalen lässt. Howling Larsons (mit World Serpents Alan Trench) “Lesser Stars” verdeutlicht, dass es mehr als passend ist, dass die Band eines ihrer Alben “Midnight Folk” genannt hat. Cruel Wonders aus Israel bezeichnen ihre Musik als „folk noir“ und „post doom“. Sängerin Tamar Singer, die auch noch ein Solostück beisteuert, klingt auf „Sometimes a Lover“ dann auch wie eine verschollene Schwester von Sharron Kraus und Tara Burke. Trappist Afterland, die demnächst ein Splitalbum mit Stone Breath veröffentlichen werden, sind mit einem melancholischen Folksong dabei. Es gibt aber auch Rückgriffe auf das Mittelalter (wie bei Vedan Kolod aus Russland oder bei der Zusammenarbeit von The Hare and The Moon und Futur Passé).

In den vergangenen Jahren wurden auf zu Dark Holler Arts gehörigen Labeln wie Lost Grave und Eleventh Key auch härtere Klänge veröffentlicht: LAYRs „Inverted“ nähert sich dem Black Metal, Bréag Naofa spielen unter dem Motto „religion still poisons every aspect of the human experience“ ein doomiges Stück, Come And Get Its Metal weist Punkeinflüsse auf , NIGHT spielen Postrock, God Root sind mit einer zehnmiütigen epischen Sludgenummer vertreten. Experimenteller wird es mit The Owls Are Not What They Seem: Man hört verwaschene Sounds, im Äther verschwindende Stimmen und rituelle Perkussion. Bilín Wake + Drekka spielen auf dem großartig betitelten „We negotiate shadows much darker than winter“ ein Soundscape aus verhallten Klängen und Drones. Das skurril betitelte The Black Yo)))ga Medidation Ensemble, das tatsächlich Musik für Yoga macht, spielen ein doomiges Soundscape. United Bible Studies‘ “The Archeologists Hands” ist eine siebzehnmiütige pastorale Folknummer mit getragenen Gesang, die frühen Pink Floyd sicher nicht schlecht zu Gesicht gestanden hätte. Dass Gunned Down Horses Indiepop spielen, überrascht dann nicht mehr. Was erstaunlich ist, ist, dass bei der Breite der Musik der insgesamt 28 Stücke eigentlich kaum ein Ausfall dabei ist. Dallas Brown – Flute Medicines Flötenstück klingt zwar etwas arg nach New Age, aber das ist ein Meckern auf hohem Niveau. “Water, Water” ist eine Zusammenstellung, bei der sich der gute Zweck dann auch in der Qualität der Musik angemessen widerspiegelt. (MG)

Label: Hand/Eye