WILLIAM BASINSKI: On Time Out Of Time

Letztlich sind fast alle Arbeiten William Basinskis Auseinandersetzungen mit (dem Wesen) der Zeit. Was die Zeit alles zersetzen kann, spielte eine zentrale Rolle in Basinskis wohl bekanntestem und inzwischen auch schon mehrfach orchestral aufgeführten Werk „The Disintegration Loops“ und auch der Titel seiner Bowiehommage machte dies deutlich. Weiterlesen

ROMA AMOR: Miraggio

Der Chanson ist am ehesten in dunklen Gassen französischer Altstädte und in zwielichtigen Hafenvierteln mit ihren Bordellen und Kaschemmen zuhause, und am stärksten ist er, wenn er nach Tobak riecht und eine Fuselfahne vor sich herträgt. Der Chanson ist aber auch ein durchaus experimentierfreudiger Zeitgenosse, der sich auch in etwas vornehmeren Cafés zu benehmen weiß, sich dem Jazz und sogar – man denke nur an den großartigen Leo Ferré – der Avantgarde anzunähern versteht, und dass er auch eine hippieske Seite hat, ist längst ein offenes Geheimnis. Weiterlesen

JOOLS HOLLAND / MARC ALMOND / THE RHYTHM AND BLUES ORCHESTRA: A Lovely Life to Live

Wenn es etwas Offensichtliches gibt, dass Jools Holland und Marc Almond gemeinsam haben, dann ist es – abgesehen vom Most Excellent Order of the British Empire, den beide Künstler bereits für den Rang eines Officer verliehen bekamen – die kreative Dauerrotation, das Interesse an Kollaborationen quer durch viele Musikgenres und das enthusiastische Fantum, mit dem der Pianist und BBC2-Moderator und die Sängerlegende ihre kleinen und großen Helden ins eigene Werk einbeziehen. Weiterlesen

SPIRES THAT IN THE SUNSET RISE: House Ecstatic (Cover Your Blood)

Es gibt wenige Künstler, die ein solch eigenwilliges Werk wie die nach einer Zeile aus einem Gedicht von Baudelaire benannten Spires That In The Sunset Rise veröffentlicht haben. Der von ihnen gespielte Folk ist/war tatsächlich und im besten Wortsinne „weird“. Nachdem sie zwischenzeitlich zu einem Quartett angewachsen waren, sind sie seit einigen Jahren nur noch ein aus Ka Baird und Taralie Peterson bestehendes Duo.

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THE NENT: Vulner

“Vulner” ist ein Debütalbum, doch Vince Gagliardis Projekt The Nent hat bereits eine lange Vorgeschichte. Seit den Jahren nach 2000 sammelt der Wahlberliner Sounds aus alltäglichen und weniger alltäglichen Quellen, archiviert, bearbeitet und kombiniert diese zu feinsinnigen Ambienttexturen. Unter seinem Projektnamen verbindet er sie mit Bild, Film und Performance und teilte sich die Bühne bereits mit Musikern wie William Basinski, Phurpa, Treha Sektori und Sarah Lipstate, um nur einige der bekannteren zu nennen. Weiterlesen

KEL ASSOUF: Black Tenere

Anana Ag Haroun und seine Band Kel Assouf zählen seit dem Debüt “Tikounen” zu den innovativsten und kompromisslostesten Musikern am südlichen Rand der Sahara – das schrieb u.a. auch der Guardian, der für die schwer zu kategorisierende Stilmischung und die ethnische Herkunft der Band noch den Begriff Tuareg verwendete. Haroun selbst zieht die Begriffe Ishumar für die Musik und Kel Tamashek für die Volksgruppe vor, weil sie keine Fremdbezeichnungen und obendrein spezifischer sind. Mit Purismus hat dieser Anspruch allerdings Weiterlesen

AXEBREAKER: Brutality In Stone

Man hat oft den Eindruck, dass Vertreter von Power Electronics unter enormem Kongruenzdruck stehen, da fortwährend gezeigt werden muss, dass extreme Musik immer auch extremer Inhalte bedarf. Whitehouse, auf deren „Erector“-Album die Gattungsbezeichnung zurückgeht, haben mit ihren in der ersten Hälfte der 80er Jahre entstandenen Arbeiten (musikalisch wie vor allem ästhetisch-inhaltlich) Blaupausen für das geliefert, was das Genre die nächsten Jahrzehnte (häufig) prägen sollte: Weiterlesen

OCTAVIO: Earnest Lie

Immer wieder begegnet man kreativen Arbeiten, die wie aus Zufall entstanden wirken, und die doch eine innere Stimmigkeit aufweisen, von denen manch ein durchkonzipiertes Erzeugnis nur träumen kann. Beim bislang einzigen Tape des in Berlin lebenden Argentiniers Octavio Garabello darf man kein Soundfanatiker sein und sollte den Lofi-Charm nonchalanter Homerecordings würdigen können – unter dieser Voraussetzung kann man eine launige Kollage fragmentierter Songgebilde im Beach Boys-Style genießen, die sich schnell Weiterlesen

TREHA SEKTORI: The Sense Of Dust And Sheer

Ein Merkmal, das Treha Sektori aus der Menge an rituellen Ambientprojekten herausragen lässt und vielleicht nicht einmal intendiert ist, ist das Spannungsgefüge zwischen der entspannten Ruhe der gleitenden Klangflächen und einer versteckten, nie ganz im Zaum gehaltenen Unruhe, die sich deutlich in den Performances des Franzosen, aber auch subtil in all seinen Aufnahmen findet. Das aktuelle Release kingt so kohärent wie ein Album, ist aber eine Zusammenstellung von Tracks, die z.T. bereits für Filme und Weiterlesen

JOZEF VAN WISSEM / JIM JARMUSCH: An Attempt to Draw Aside the Veil

Der Lautenspieler Jozef van Wissem und Jim Jarmusch haben schon häufiger zusammengearbeitet: Von ihrem Soundtrack für Jarmuschs großartige Vampirmeditation „Only Lovers Left Alive“ bis zu einer Reihe von weiteren Alben. Nach einigen Jahren kommt mit „An Attempt to Draw Aside The Veil“ ein weitgehend instrumentales Album, auf dem sich die beiden auf drei Personen beziehen, die alle auf Weiterlesen

LÜÜP: Canticles of the Holy Scythe

Es ist anzunehmen, das Stelios Romaliadis, als er mit seinem offenen Projekt Lüüp 2011 das Album “Meadow Rituals”, ein exzellente Pastiche auf englischen Progfolk vergangener Zeiten herausbrachte, schon eine bewegte Musikerlaufbahn hinter sich hatte, denn die Nieschenmusik Griechenlands wirkt von uns aus gesehen oft wie in undurchsichtiges Dunkel gehüllt. In ein solches scheint er danach auch wieder abgetaucht zu sein, denn in den Jahren darauf vernahm man von ihm nur wenige Lebenszeichen wie seine Weiterlesen

BARTELLOW SAN GROUND SAN: Amanogawa

So schwer einprägsam der Name der Formation ist, so entspannt und eingängig ist die Musik auf der vorliegenden EP “Amanogawa”, deren dunkler, warmer Basssound mit seinen smoothen elektronischen Rhythmen und den traumwandlerischen Melodien perfekt durch den Titel des Openers erfast wird: “Gekko No Odoriko” heißt soviel wie “Tänzer im Mondschein”. Trotz der kindlich monotonen Rasseln ist der nie ganz variationslose Takt fließend und erzeugt zusammen mit den Weiterlesen

IN GOWAN RING: Hazel Steps Through A Weathered Home

Im Werdegang von Sänger B’ee und In Gowan Ring markiert das erstmals 2002 erschienene “Hazel Steps Through A Weathered Home” eine Schnittstelle. Es war das letzte reguläre Album vor der Phase, in der B’ees zweites Projekt Birch Book im Zentrum stehen sollte. Stilistisch deutet es in einigen Punkten schon auf dieses Projekt und auf die späteren In Gowan Ring-Alben voraus. Zwar hatten die sanften Folksongs noch nichts von dem leichten Americana-Touch der folgenden Arbeiten, doch waren sie Weiterlesen

SABA ALIZADEH: Scattered Memories

Erinnerungen, die man als zersplittert und bruchstückhaft erlebt, sind selten so klar und eindringlich wie die Kompositionen, die der iranische Musiker Saba Alizadeh auf seinem ersten Soloalbum „Scatteted Memories“ zusammengestellt hat. Es handelt sich dabei um Nacharbeiten verschiedener Stücke, die er in den letzten Jahren komponiert und aufgeführt hat, und die so Teil eines ungeordneten musikalischen Erinnerungngsfundus sind. Weiterlesen

MAAT: The Next

Zu der in Hamburg lebenden Musikerin Dörte Marth könnte man so viele Hintergrundinformationen liefern, dass es den Rahmen einer Rezension sprengen würde. Vielleicht macht der Hinweis, dass ihr in den frühen 90ern aktives Projekt Maat nur eine Etappe in im Werdegang der Künstlerin darstellt, die seinerzeit im Dunstkreis von Dom Elchklang und HNAS unterwegs war und heute Teil von Female Pressure ist, Experimentalfans und Wave-Nostalgiker gleichermaßen neugierig. Womit auch gleich Weiterlesen

ANNA CALVI: Hunter

Mit „Hunter“ ist Anna Calvi ein energiegeladenes Album gelungen, doch es ist eine unruhige, suchende, drängende Kraft, die die neun Songs durchdringt. Calvi äußerte in vielen Statements der letzten Zeit ein Unbehagen bei der Gefahr, Erwartungen zu entsprechen, etwas sein zu müssen, auch hinsichtlich der Vorstellung, was weiblich oder männlich ist. Und ihre Sehnsucht, etwas jenseits dieser Klischees zu sein, ihren eigenen individuellen Stempel zu bekommen, fühlt sich für sie an wie eine Jagd. Weiterlesen

LUSTMORD: First Reformed (Extended Motion Picture Soundtrack)

Paul Schrader hatte lange vor seinem Erfolg als Drehbuchautor und Regissuer einen Text über das, was er den transzendentalen Stil im Film nannte, verfasst, eine Art von Film, der verglichen mit psychologischem Realismus “a spiritual state by means of austere camerawork, acting devoid of self-consciousness, and editing that avoids editorial comment “ illustriere. Jüngst ist dieser Text mit einer neuen Einleitung wiederveröffentlicht worden. Weiterlesen

PHAROAH CHROMIUM: Jean Genet Quatre Heures à Chatila

Auf den ersten Blick erinnert Shatila nicht unbedingt an ein Flüchtlingslager im Nahen Osten. Es stehen dort keine Zelte und Bretterbuden, sondern drei- bis vierstöckige, wenn auch windschiefe Häuser, und wenn es nur darauf ankäme, könnte man es für ein weiteres Stadtviertel in den südlichen Vororten Beiruts halten, in denen es, wie oft in Ballungszentren, immer noch innenstädtisch zugeht. Weiterlesen

JH1.FS3: Trials and Tribulations

Hinter dem scheinbar kryptischen Projektnamen verbergen sich Frederikke Hoffmeier, die als Puce Mary in den letzten Jahren dissonante Elektronik gespielt hat, und Jesse Sanes, der unter dem wagnerianischen Namen Liebestod ebenfalls gezeigt hat, dass er weiß, was atonal bedeutet. Als JH1.FS3 agieren die beiden weitaus weniger brachial, aber kaum weniger irritierend. Sie selbst sprechen davon, dass es um ein „cinema of the ear“ gehe und das ist vielleicht auch für das zweite Album der beiden nicht die schlechteste Beschreibung. Weiterlesen