NAEVUS: Stations (2CD inkl. Bonus Disk „Others“ lim. 111)

Lloyd James von Naevus hat eine angenehme Stimme und wenn es sein muss auch ein Händchen für schöne Melodien. Wahrscheinlich verstören seine Songs deshalb niemals direkt, auch wenn die Musik stets das Gefühl vermittelt, von etwas Ernstem, mitunter Drastischem zu künden. Erst mit der Zeit registriert man, dass die eingängigen Stücke einen doppelten Boden haben. Heterogene Elemente harmonieren nie ganz miteinander, oft wirken die Drums wie Versatzstücke einer Kollage, die dem Gesang und den restlichen Spuren kurzerhand aufgeklebt wurden. In die Melodik schleicht sich immer wieder eine Verweigerungshaltung ein, die dem Wohlklang eine spröde Monotonie entgegenhält. Den Songtexten Weiterlesen

REGGIE OLIVER: Virtue in Danger

Der auch als Schauspieler tätige Reggie Oliver ist als Autor nicht auf eine Gattung beschränkt: Ursprünglich Dramatiker, verfasste er eine Biographie seiner Tante – der Autorin Stella Gibbons -, dürfte allerdings einigen der Leser unserer Seiten durch seine in inzwischen mehreren Bänden gesammelten unheimlichen Geschichten bekannt sein, die weniger durch Drastik auffallen als vielmehr in der Tradition britischer Geistergeschichten stehen und einen Autoren zeigen, der ein begnadeter Stilist ist, Figuren scharf zeichnen kann und ein Ohr für Dialoge hat. Weiterlesen

RUDIMENTARY PENI: Archaic EP

Unter dem Begriff Anarcho-Punk fasst man eine gute Handvoll meist englischer Bands, die in recht unterschiedlichen Kontexten entstanden sind, sich in ebenso unterschiedliche Richtungen fortentwickelt haben und die unterschiedlichsten Themen beackern. Sie entstanden auch keineswegs zeitgleich und existierten unterschiedlich lange. Dennoch gab es immer eine Reihe an Gemeinsamkeiten, die das etwas allgemein wirkende Genrelabel rechtfertigen. Ein interessanter Weg, dem gemeinsamen Nenner auf die Spur zu kommen, wäre ein Vergleich mit der etwa parallel entstandenen Weiterlesen

PAS MUSIQUE: Abandoned Bird Egg

In ihrer Selbstbeschreibung klingen PAS Musique erfrischend old school, und zwischen den Zeilen lugt sogar etwas hervor, dass in unserer Zeit, gerade in „subkulturellen“ Millieus, längst unter dicken Schichten aus Abgeklärtheit und Coolness verschüttet scheint – ein kleines bisschen Idealismus. Die vier New Yorker, die die sogenannte Experimentalmusik schon weit länger bereichern, als Discogs suggeriert, arbeiten nach dem Credo, dass aus potentiell jedem Geräusch Musik entstehen kann, auch ohne stringente Rhythmen, vertraute Harmonien oder gar die gängigen Muster eines Songs. Ihr Ziel ist eine ganz eigene Welt der Schönheit aus fremdartigen Klängen. Bei all dem sind sie wahrlich nicht die ersten, aber ich hielt es schon immer für eine Weiterlesen

THE CERAMIC HOBS: Spirit World Circle Jerk

Beim Beschreiben von Musik gebrauche ich hin und wieder das Wort „aufgeräumt“. Wer ein überschaubares Klangbild entwirft, überraschende Wendungen gut dosiert, Ambiguitäten ebenso wie zitathafte Einsprengsel nur punktuell einbringt und an komplexe Rhythmen nicht einmal denkt, der kann schon mal mit dieser Vokabel rechnen. Am meisten Sinn hat der Begriff natürlich dann, wenn zu Minimalismus und Geradlinigkeit auch noch eine kühle, eher trockene Stimmung hinzukommt, und so etwas wie Groove wäre der Sache auch eher nicht so förderlich. Weiterlesen

P.O.P.: Täbriz

Beim Ausblenden der visuellen Gestaltung mag es überraschen, dass das Duo P.O.P. sein aktuelles Album nach der nordiranischen Metropole Täbriz benannt hat. Reinhold Friedl und Hannes Strobl sind weder Perser, noch Aserbaidschaner oder Angehörige einer der anderen Bevölkerungsgruppen dieser Region, auch gibt es keine Informationen über Aufenthalte in der Stadt. Auch in musikalischer Hinsicht scheint es keine Verweise auf die dortige Tradition zu geben. Man kommt der Sache schon näher, wenn man erfährt, dass Tabriz (verschiedene Schreib- und Sprechweisen sind üblich) ein Zentrum der iranischen Teppichproduktion ist und auf eine reichhaltige Tradition dieses Kunsthandwerks zurückblickt. Den Fotos und Liner Notes nach Weiterlesen

THE GREAT PARK: We Love To Get Lost And We Love To Get Found

Stephen Burchs Songtexte sind von brutaler Direktheit und zugleich voll feinsinniger Nuancen. Es gibt klare, sehr aussagekräftige Momente, die trotz des starken Symbolismus ein griffiges Thema umkreisen. Andere Stellen sind sehr dunkel, verweisen auf alles und nichts, offenbaren eine sehr persönliche Bildwelt. Von Abgründen und ihrer Anziehungskraft künden sie jedoch fast immer, und selbst in den euphorischen Momenten erscheint das Glück oft selbst wie ein Abgrund, dessen Sog man sich gerne aussetzt, wohl wissen um die Quittung, die einem das Leben ganz sicher vorlegen wird, und die meist im Verlust seiner selbst besteht. Weiterlesen

TREPANERINGSRITUALEN: The Totality of Death

Das nach einer archaischen Methode Schädel zu operieren (eine Abbildung der Prozedur findet man auf dem „Ritualer, Blot & Botgöring“-Tape) benannte Einmannprojekt des Schweden Thomas Martin Ekelund sorgt mit dieser Zusammenstellung von (bis auf wenige Ausnahmen) schon veröffentlichten Stücken bewusst für leichte Verwirrung, veröffentlichen die beiden Label Silken Tofu und Malignant zeitgleich zwei gleich betitelte CDs, deren Artwork sich nur minimal unterscheidet, die allerdings völlig andere Stücke enthalten. Bei dieser Rezension wird es um die CD auf Silken Tofu gehen. Weiterlesen

EMBRYO: Message From Era Ora

Eine der schönsten Gewissheiten für Krautrock-Fans ist die Tatsache, dass Embryo, das offene Kollektiv um den Schlagzeuger und Multiinstrumentalisten Christian Burchard, auch nach über vierzig Jahren noch exisiert, in Würde gereift ist und immer noch regelmäßig Konzerte gibt. Für alle, die sich gerade erst retrospektiv in derartige Musik einarbeiten, sei ergänzt, dass der genannte Genrebegriff stilistisch ein weites Feld abdeckt und eher noch den räumlich-zeitlichen Rahmen setzt, statt Ordnung in die experimentelle, improvisierte Rockmusik der 70er zu bringen. Die Münchner Embryo brachten in die deutsche Szene ein Element ein, dass sich – um nur ein Beispiel zu nennen – auch bei den Weiterlesen

ANDREW LILES: Murgatroyd The Monster (A Northern Noir)

Es ist eine Szene wie aus einer anderen Welt: Eine junge Frau, fast immer blond und kühl, veruntreut Geld und versucht, sich damit ins ungewisse Irgendwo abzusetzen. Die Häscher sind ihr auf den Fersen, doch auch ihre forsche Absage an alle Skrupel hift ihr nicht dauerhaft, sich gegen ihre Verfolger, und seien es die aus der eigenen Gewissenswelt, zu behaupten. Was wäre eigentlich das Ziel ihrer Flucht gewesen, die im Knast oder in der Duschkabine eines oral fixierten Moteliers endete? Sich zu verstecken, sich irgendwo eine neue Existenz zu ergaunern? Oder etwas dazwischen, ein Leben in Sorglosigkeit mit weniger Verpflichtungen und Abhängigkeiten, das man nur vorsichtig genug Weiterlesen

LIGHTNING DUST: Fantasy

Als Amber Webber und Josh Wells vor rund sechs Jahren erstmals mit ihrem Projekt Lightning Dust aus dem Schatten der Stammband Black Mountain heraustraten, überraschten und erfreuten sie ihre Anhänger mit einem entrückten Werk, das in seiner minimalen, akustischen Klanggewandung definitiv mehr Dust als Lightning war. Vor allem Amber konnte sich hier als Ausnahmesängerin beweisen, denn ihr fragil anmutendes Vibrato, das bei Black Mountain immer mit treibendem Schlagwerk und kernigen Psych Rock-Riffs um den zentralen Platz auf der Bühne konkurrieren musste, stand hier erstmals Weiterlesen