WRANGLER: LA Spark

Musiker, die sich anschicken, die besten Zeiten analoger, synthetischer Popmusik wieder aufleben zu lassen, sind wahrhaftig keine Seltenheit, und man müsste auch bei den kürzlich in London gegründeten Wrangler keinen Wind darum machen, wenn es sich nicht um ein Gespann altgedienter Musikveteranen handelte. Das Trio setzt sich zusammen aus Ben „Benge“ Edwards, Gründer der Memetune-Studios und Weggefährte von John Foxx, daneben Phil Winter von Tunng und an prominentester Stelle Stephen Mallinder, der gerade der Geschichte seiner Stammband Cabaret Voltaire ein lesbares Narrativ gibt und auch sonst recht offen ist für Zusammenarbeiten – siehe sein Beitrag zur aktuellen Mushroom’s Patience. Weiterlesen

FATHER MURPHY & VERONICA AZZINARI: Nozze Chimiche (Booklet und 12”)

Unter dem in voller Länge um einiges umständlicheren Titel “Rev. Freddie Murphy, C. Lee and vicar Vittorio Demarin as Father Murphy play Veronica Azzinari’s engravings inspired by ‘Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz Anno 1459′” erscheint gerade die Zusammenarbeit zwischen einer der eigenwilligsten jüngeren Experimentalbands und der Druckgrafikerin Veronica Azzinari in Form eines großformatigen Booklets und einer einseitig bespielten 12”. Stoff bzw. die Inspirationsquelle ist der gleichnamige okkulte Roman, der im 17. Jahhundert zu einem der Manifeste der sogenannten Rosenkreuzer wurde und dem deutschen Autor Johann Valentin Andrae zugeschrieben wird. Weiterlesen

BONNIE ‘PRINCE’ BILLY: s/t

Bonnie ‘Prince’ Billys selbstbetiteltes Album hat zwar schon ein paar Monate auf dem Buckel, verdient aber schon deshalb noch immer Erwähnung, weil es mehr als alle anderen Lebenszeichen des Sängers übergangen und in den Chroniken vermutlich einmal als obskure Randerscheinung geführt werden wird. Oldham brachte es letzten Herbst im Eigenverlag heraus, und die größte Werbung, die dafür gemacht wurde, bestand in der Vinylversion, die relativ unkommentiert auf den Merchandise-Tischen der jüngsten Tour auslag. Interessant ist es auch deshalb, weil es, wie nicht unüblich bei Weiterlesen

SWANS: To Be Kind

Die Musik, die die Swans seit ihrer von Gira so betitelten „reconstitution“ spielen, kann man partiell zwar als aggressiv charakterisieren, viel angemessener lässt sie sich – und zwar gilt das für die Ohren zerstörenden Auftritte ebenso wie die Alben – als enorm physische, fast schon körperlich vielleicht nicht anstrengende, aber herausfordernde Musik beschreiben und zwar für Band wie für Hörer gleichermaßen – und das sollte man rein deskriptiv, nicht als Kritik verstehen. Allein die schiere Menge an Material kann einschüchternd wirken: Nach dem etwa zweistündigen „The Seer“ folgen wieder etwa 120 Minuten, diesmal auf 10 Songs, Tracks (auf dem die Aufnahmen für das Album finanzierenden Live-Album „Not Here / Not Now“ schrieb Gira dann auch: „it’s admittedly a stretch to call some of them ‘songs’“ ) verteilt. Weiterlesen

MAI MAI MAI: Δέλτα (Delta)

Mai Mai Mai ist eine moderne Abenteuergeschichte, eine Art Odyssee durch eine analoge mediterrane Welt, in der der mythische Held, sein Name ist Toni, allerhand Dinge zu meistern hat, die für den Rezipienten vage und abstrakt bleiben müssen. Dies ist v.a. dem Medium der Geschichte geschuldet, denn Mai Mai Mai ist weder Epos, noch Film, noch Balladensammlung, sondern ein weitgehend instrumental gehaltenes, elektronisches Musikprojekt – diesmal unterstützt durch eine handvoll Gäste, die das Album “Delta” ein gutes Stück vom Vorgänger “Theta” abheben. Weiterlesen

THE DEAD HANDS & FEE: The Horrible Scar EP

Zu den ersten gemeinsamen Lebenszeichen von The Dead Hands und der Sängerin Fee Reega zählte der Opener der mittlerweile vergriffenen Compilation “50″, einem Jubiläumssampler von Woodland Recordings. Der monotone Downer “Better Start to Swim” eröffnete das Mammutprojekt wie ein düster-ironisches Omen und erzählt eine biblische Anekdote aus dem Blickwinkel derer, die im Angesicht eines Wunders die Stirn runzeln – selbst die Gottesmutter wünscht sich nichts als die ganz banalen Naturgesetze zurück, wenn sie ihren (und des Menschen) Sohn auf dem See Genezareth wandeln sieht. Weiterlesen

BO NINGEN: III

Der Übergang von psychedelischer Rockmusik der 70er hin zum schon auf das nächste Jahrzehnt vorausweisenden Punk und New Wave vollzog sich, zumindest was die Kontinuitäten betraf, eher heimlich. Gleichwohl brachte gerade Deutschland einiges an Musik hervor, bei der die Grenze zwischen Kraut und NDW fließend verlief. Es wäre schon sehr überraschend gewesen, wenn unter den vielen geschichtsversessenen Bands der letzten Jahre niemand gewesen wäre, der den Punkt, an dem Rockmusik beides war, nicht besonders unter die Lupe genommen hätte. Das japanische, seit längerem in London heimische Quartett Bo Ningen ist Weiterlesen

@C: Ab OVO

Wenn in Anlehnung an den Psychoanalytiker Otto Rank vom Trauma der Geburt die Rede ist, versteht man darunter das Gefühl des Herausgestoßenseins aus einem überschaubaren, vertrauten Raum und einem als konstant erlebten Zeitgefüge und den gleichzeitigen Eintritt in eine ungeordnete, diskontinuierliche Welt, in der die Grenzen und Strukturen des Selbst ständigen Verunsicherungen ausgesetzt sind. Bereits bekanntere Fachkollegen wie Freud und Lacan haben in einer Bildsprache, die nicht immer dazu taugt, das Interesse von Laien zu wecken, nachgezeichnet, wie das Kind erst nach mehr als einem Jahr so etwas wie ein Weiterlesen

BARRIKAD: Nordic Ideological Frontline

In der an kryptorechten und libertären „Aufklärern“ nicht gerade armen Post Industrial-Szene wirkt ein Projekt wie Barrikad mit seinem marxistischen Referenzkosmos fast wie ein Kuckucksei. Dass der Gothenburger meilenweit entfernt ist vom wässrigen Geseier einer akademischen Pseudolinken und sich keineswegs scheut, mit Bands von inkorrektem Ruf in einem Boot zu sitzen, mach ihn zusätzlich interessant. Seine an den Altvorderen orientierte, oft noisige Spielart des Industrial sorgt mittlerweile schon seit fast anderthalb Jahrzehnten für durchdachte Konzeptalben, die selten bis zum Gelegenheitshörer industrieller Klänge durchsickern. Das liegt Weiterlesen

WOVENHAND: Refractory Obdurate

Der Werdegang von Wovenhand mit all seinen großen und kleinen Kurswechseln ist ausgiebig dokumentiert, und der musikalische Schritt, den David Eugene Edwards von „The Laughing Stalk“ zu „Refractory Obdurate“ gegangen ist, wird vermutlich als einer der weniger großen in die Bandchronik eingehen, denn die vor einigen Jahren getroffene Entscheidung, rockiger und treibender zu spielen, wird anno 2014 nicht revidiert, sondern lediglich in der Art und Weise variiert. Textlich fällt eine Rückbesinnung auf biblische Themen ins Auge, die im Bandkosmos nie vom Tisch waren, doch schon seit dem Ende von Sixteen Horsepower weniger direkt im Vordergrund standen. Weiterlesen

HOLLYWOOD DREAM TRIP: Would You Like To Know More?

Hollywood Dream Trip ist ein relativ neues Projekt von Christoph Heemann und Will Long – über ersteren wurde kürzlich im Rahmen der Veröffentlichung von „Maccia Forest“ berichtet, letzterer erzeugt mit Celer wunderschöne melodische Drones und ist Betreiber des kleinen Labels/Verlags Two Acorns. Die Genese des Albums hat durchaus etwas von einem Film, von Hollywood und wenn auf der Labelseite die Geschichte mit „It was a dark and starry night.“ beginnt, so wird man ebenfalls an ein Märchen erinnert: Weiterlesen

LA PIRAMIDE DI SANGUE: Sette

La Piramide di Sangue sind ein Unikat, das in der heutigen Psychedelia- und Stoner-Szene einen eigenen Platz beanspruchen kann, auch wenn es sicher etliche gibt, die sich in der Tradition von Embryo oder der Third Ear Band wähnen und ausladende, experimentelle Rockstrukturen mit orientalischen Elementen garnieren. Was das Turiner Septett, das aus einer doppelten Rockbesetzung und einem Klarinettisten besteht, hervorhebt, ist eine kraftvolle und unberechenbare Aufbruchstimmung, bei der man dankbar sein kann, dass das Ganze zumindest nicht durchgehend auf Metal hinausgelaufen ist. Dies traf Weiterlesen

MICK HARVEY: Intoxicated Man / Pink Elephants

Wenn englischsprachige Popmusik die am meisten exportierte ist, dann ist ihr französischsprachiges Pendant vielleicht die am meisten übersetzte. Der immer etwas ambivalente Versuch v.a. anglophoner Sänger, französischen Songs die Ehre zu erbieten und sie sich zugleich sprachlich anzueignen, brachte Resultate zustande, die auch als Cover längst zu Klassikern geworden sind, wobei interessant ist, dass immer ein Interesse an etwas älteren Aufnahmen bestand. Jeder kennt die Jacques Brel-Interpretationen von Scott Walker und Marc Almond, und Mick Harveys Versionen von Serge Gainsbourg-Songs stehen ihnen in nichts nach. Die Wiederveröffentlichung seiner beiden Weiterlesen

HEROIN IN TAHITI: Peplum 7′

Doomige Keyboards, verwegene Twangs und ein langsamer, tiefschwarzer Groove – Heroin in Tahiti, die beiden Doomsurfer aus Rom bleiben sich treu, präsentieren nach dem Split mit Ensemble Economique ihr nächtes Lebenszeichen und erweitern das Tape-Label Yerevan mit dem untypischen Medium einer schön gestalteten schwarzen 7”. Weiterlesen