AND ALSO THE TREES: Born Into the Waves

Als Andrew Eldritch 1993 nach seiner Supportshow für Depeche Mode in London das Set der Sisters of Mercy getreu dem Motto “bite the hand that feeds you” mit dem Ausruf „Enjoy the puppet show“ beendete, da wusste er vielleicht noch nicht, dass er im Jahre 2016 zwar nicht als Marionette, aber bestenfalls als Zombie mit zerfressenen Stimmbändern Karaokeshows mit T-Shirt-Verkauf abliefern würde. Schaut man sich die Setlists von The Cure -die es in den letzten 24 Jahren auf gerade einmal vier (mediokre) Studioalben gebracht haben- an, dann fällt auf, dass sich die Songauswahl stark an den bis zu den frühen 90er Jahren veröffentlichten Alben orientiert, ganz so, als sei man sich bewusst, dass die musikalisch großen Zeiten vorbei sind.  Weiterlesen

V.A.: This Is Kologo Power!

Das in Ghana populäre Kologo ist ein sehr altes Instrument, hat etliche Verwandte in weiteren westafrikanischen Ländern und gilt als einer der Vorläufer des amerikanischen Banjo. Zwei Saiten über einen mit Ziegenfell bespannten Resonanzkörper gespannt erzeugen einen hellen und zugleich erdigen Klang und brachten seit Jahrhunderten lokale Musiker dazu, den fast unvermeidlichen Minimalismus in etwas Hypnotisches zu sublimieren. Seit ein paar Jahren erfreut sich das Instrument einer neuen Beliebtheit und ist geradewegs dabei zu einem Pop-Phänomen zu werden. Weiterlesen

MATT ELLIOTT: The Calm Before

Es macht überhaupt nichts, dass Matt Elliotts Gitarrenspiel immer etwas improvisiert und sprunghaft wirkt, auch nicht, dass seine gesamte Instrumentierung manchmal einen spontan zusammengezimmerten Eindruck macht und er sich auch beim Gesang ein paar Nachlässigkeiten erlaubt – nicht nur weil das an sich schon ganz charmant sein kann, sondern weil er stattdessen über eine ganz andere Qualität verfügt: Elliott ist ein Meister der ungreifbaren Stimmungslagen, die ihre verschiedenen Nuancen oft erst nach mehrmaligem Hören entfalten. Weiterlesen

THE DWARFS OF EAST AGOUZA: Bes

Eine Band, die aus Sam Shalabi, Alan Bishop und Maurice Louca besteht, nennt sich natürlich nur höchst ironisch Dwarfs, denn musikalisch sind die drei, die sich vor einigen Jahren eine Wohnung im Kairoer Bezirk Agouza teilten, alles andere als Zwerge. Eigentlich gab es in der Zeit gerade genug zu tun. Bishop hatte mit den Invisible Hands gerade einen würdigen Nachfolger für die Sun City Girls ins Leben gerufen, Shalabi arbeitete emsig mit dem Land of Kush-Kollektiv und Louca, der wahrscheinlich schon Ideen zu seiner künftigen Band Alif ausbrütete, hatte gerade sein Solodebüt in den Regalen stehen. Weiterlesen

PUCE MARY: The Spiral

Die Dänin Frederikke Hoffmeier, die sich als Puce Mary (inhaltlich wie musikalisch) extremeren Formen elektronischer Musik widmet, erinnert , was ihre Rezeption durch die Medien anbelangt, etwas an die auch auf diesen Seiten rezensierte Margaret Chardiet (Pharmakon), denn auch Puce Mary hat schon ihre Nobilitierung durch Besprechungen und Interviews in Magazinen abseits des „Special Interests”-Forums erfahren, was dazu geführt hat, dass in The Wire (Invisible Jukebox, Februar 2016) plötzlich Namen auftauchen Weiterlesen

REVOLUTIONARY ARMY OF THE INFANT JESUS: Beauty Will Save The World

Auch in deutschen Szenemagazinen tauchte zu Beginn der 90er hin und wieder die Band mit dem einprägsamen Namen Revolutionary Army of the Infant Jesus auf, und alles was man über das mysteriöse Projekt erfuhr, war, dass die Musiker aus Liverpool kamen und – für eine britische Band, die Musik mit Bezug zu rituellem Dark Folk spielte, eher untypisch – nichts mit dem Dunstkreis des World Serpent-Vertriebes zu tun hatten. Bei genauerem Hinhören musste man bei aller Liebe auch einräumen, dass RAIJ tatsächlich so manches, was schon damals im Neofolk verkultet wurde, in Sachen Weiterlesen

MAGDA MAYAS: Terrain

Magda Mayas zählt sicher zu den derzeit renommiertesten Vertreterinnen der Inside Piano-Techink, des improvisierenden Auslotens der Möglichkeiten, die ein geöffneter Klavierkasten bietet. Obwohl sie durchaus mit Kontaktmikros und Amplifier arbeitet, dominiert bei ihr meist ein akustischer Klangeffekt, so auch über weite Passagen ihrer soeben erschienenen LP “Terrain”, ein aus zwei längeren Tracks bestehendes Album, bei der auch ihr zweites Lieblingsinstrument, das Clavicord zum Einsatz kommt. Weiterlesen

FRANK BENKHO: The Revelation According To Frank Benkho

Frank Benkho, der eigentlich Mika Martini heißt, hat mit seiner Offenbarung bereits vor zwei Jahrne begonnen, als er in seinem Heimstudio in Santiago de Chile einmal mehr seinen Vorlieben für altes analoges Equipment fröhnend die vier geheimnisvollen Tracks in Echtzeit improvisierte. Die vollständige Offenbarung, deren Details man je nach eigenem Strickmuster durchaus apokalyptisch interpretieren könnte, erblickt natürlich erst nach einem langwierigen Prozess des Be- und Überarbeitens „in tranquility“ das Licht der Welt. Weiterlesen

RUSALNAIA: s/t

In den Jahren nach 2000 verbrachte die englische Ausnahmesängerin Sharron Kraus einige Jahre in den USA, um als an englischen Traditionen geschulte Musikerin amerikanische Spielarten des Folk kennen zu lernen und neue Kontakte zu knüpfen. Schnell fand sie Anschluss an eine kleine Szene in Philadelphia, wo im Umfeld von Greg Weeks’ Language of Stone-Label und den Hexham Head Studios gerade interessante Folkgewächse aus dem Boden schossen. Weiterlesen

ARBRE DU TÉNÉRÉ: Quando gli Uomini Adoravano la Luna

Irgendwann in Jahr 1973 rammte ein betrunkener Lastwagenfaher einen Baum in der Region Ténéré im südlich der Sahara gelegenen Staat Niger. Sicher ist am gleichen Tag in China der eine oder andere Sack Reis umgefallen, aber mit dem Baum starb – beinahe – ein regionaler Mythos. Die Akazie, die der Trucker zu Fall brachte, stand dort einige Jahrhunderte und war der Überlieferung nach der einzige Baum im Umkreis von vierhundert Kilometern, diente lange als Wegweiser für Karawanen und galt in der Folklore der Einheimischen als Weiterlesen

IVAR GRYDELAND: Stop Freeze Wait Eat

Wenn man hört, dass ein Album das Ergebnis einer PHD-Arbeit ist, klingt das erst einmal nach Kopfgeburt und wenig Hörgenuss, was natürlich Quatsch ist, wie einem meist schon unmittelbar bewusst wird, denn eine wichtige Projektarbeit kann ebenso gut ein Garant für Gründlichkeit, Konzentriertheit und leidenschatliche Anstrengung sein. Der Norweger Ivar Grydeland, in der Vergangenheit aktiv in diversen Improv- und Rockbands wie Huntsville, Finland und Dans Les Arbres, stellte in seiner Abschlussarbeit (und somit im Album „Stop Freeze Wait Eat“) die Frage nach Weiterlesen

FURSAXA: Immured

Als vor sechs Jahren Tara Burke unter ihrem Projektnamen Fursaxa auf ATP Records „Mycorrhizae Realm“ veröffentlichte, da war das das bislang fertigste, eventuell auch (im weitesten Sinne) zugänglichste, weil songorientierteste Album. Ein Album, das so klang, als habe eine die Bezeichnung Weird Folk verdienende Band sich entschieden, sich nicht an der glasklaren Stimme von Comus‘ Bobbie Watson zu orientieren, sondern eine Wiedergängerin Nicos als Chanteuse auszuwählen: „Was Stimmung wie Stimme anbelangt, könnte man fast soweit gehen und sagen, dass Fursaxa näher Weiterlesen

SKREI: Önämuumänö

Ich weiß nicht, ob der Name SKREI etwas bedeutet oder ob das seltsame Palindrom des Titels aus eine ugro-finnischen Sprache stammt, hinter dieser geballten Ladung sprachlicher Obskurität jedenfalls verbirgt sich der in Berlin ansässige Neopolitaner Giuseppe Capriglione, der bereits auf eine ereignisreiche Zeit im weiten Feld zwischen Gitarrendrone, Improv und Harshnoise zurückblicken kann – als Betreiber von rührigen Tape- und Vinyl-Labels, als Veranstalter von Konzertreihen und mit eigenen Musikprojekten wie Gun, Gunzard und Weiterlesen