FATHER MURPHY: Pain Is On Our Side Now

In der Welt der experimentellen Musik ist es mehr als einmal vorgekommen, dass eine konzeptuelle Idee besser klang als das Resultat ihrer Umsetzung. Dessen müde, mag man vielleicht zu einer gewissen Skepsis neigen, wenn Father Murphy – bekannt für Marotten mit Stil – ihre neue Veröffentlichung als ein Album ankündigen, das zugleich ein doppeltes ist, und dem Hörer, vorausgesetzt er besitzt zwei Turntables, eine nicht unwesentliche Rolle im kreativen Prozess beimisst. „Pain Is On Our Side Now“ besteht aus zwei einseiting bespielten Vinylscheiben im 10”-Format, mit jeweils zwei Songs, die man je nach Neigung oder technischer Ausstattung der Reihe nach hören kann. Man kann sie jedoch auch Weiterlesen

SIEBEN: Each Divine Spark

Matt Howden ist ein häufiger Gast auf unseren Seiten und überhaupt in fast allen Publikationen, deren Wurzeln irgendwo vage im postindustriellen oder folkigen Substrat der 90er stecken. Dass Howdens Musik mit solchen Sparten ästhetisch nur wenig zu tun hat, führt schon mitten hinein in die Besonderheiten seines Soloprojektes Sieben, das schon vor Jahren aus dem Schatten einer bekannten Dark Folk-Combo herausgewachsen und zu einem eigenen kleinen Kapitel alternativer Musikgeschichte avanciert ist. Sieben steht für einen sensiblen und zugleich kraftvollen Pop, der mit einfachen Mitteln eine bemerkenswerte atmosphärische Weite erzeugt und nicht nur durch Matts Gesang etwas sehr Englisches hat. Seine organischen Violinenklänge, in ihrem Wesen nie Weiterlesen

BOHREN & DER CLUB OF GORE: Piano Nights

Das Zeitalter der Retromanie, das testcard schon in den 90ern ausrief, brachte neben anderen Stilblüten auch das Phänomen der radikalen Drosselung hervor, bei der der Zugriff auf historische Musikstile in Zeitlupe erfolgt, was beim fertigen Resultat dann meist sehr cool und trocken klingt. Nicht wenige Hardcore-Kapellen mutierten im Zuge dessen zu Doom-Acts, und dass man nahezu jede Musikart durch Langsamkeit dekonstruieren kann, bewiesen mehr noch als die Herunterpitcher der Witch House-Fraktion die italienischen Surfrocker Heroin In Tahiti, die wie Link Wray auf Benzos klingen. Es gibt in dem Kontext keinen wichtigeren Namen als Bohren & der Club of Gore, die gerne als Weiterlesen

RLW & SRMEIXNER: Just Like A Flower When Winter Begins

Schlager – und in diesem Fall kann man/muss man natürlich über Geschmack streiten – sind ein Schlag ins Gesicht und man muss sich fragen, was schlimmer ist: die Geschmacksverirrten, denen es aber z. B. nicht peinlich ist, ihre Ergebenheit zu Michael Wendler, dem „König des Popschlagers“, in großen Lettern auf ihrem Auto zum Ausdruck zu bringen oder diejenigen, die entweder mit dem vermeintlichen Zaubertrick Ironisierung anderen weismachen wollen, Schlager würden von ihnen rein auf einer Metaebene goutiert oder aber hehre Gründe vorschieben (ähnlich dem einmal von Ralf König porträtierten Mann, der behauptet, sich Pornofilme aus rein soziologischer Motivation anzuschauen). Weiterlesen

LILI REFRAIN: Kawax

Noch in den 90ern lag zwischen Rock und Minimal Music ein Abgrund, und die Vorstellung, dass eine Musik beides zugleich sein könnte, wäre den meisten wohl absurd erschienen. Das änderte sich bekanntlich, als das Erbe von Pionieren wie LaMonte Young, schon weitergetragen durch Innovatoren wie Glenn Branca, im Mainstream ankam und die unterschiedlichsten Genres hervorbrachte. Lili Refrain zählt zu denen, die in beiden Welten zuhause sind. Ihre früheste musikalische Leidenschaft galt Rock und Metal, irgendwann entwickelte sie – die Auseinandersetzung mit Theorie wird ihren Teil dazu beigetragen haben – ein Interesse an der Repetition, am endlosen Weiterlesen

V.A.: Occulto Issue E (Magazin & Compilation)

Occulto ist ein englischsprachiges Magazin, dass sich einer sehr fundamentalen Definition des Okkulten verschrieben hat – okkult versteht sich hier im Sinne des Verborgenen, Geheimen, nicht ohne Anstrengung Sichtbaren. Das Magische, womit man das Okkulte landläufig gleichsetzt, ist allenfalls Teil dessen. Ein häufig wiederkehrendes Thema der Zeitschrift sind die unterschwelligen Verknüpfungen zwischen Kunst und Wissenschaft, was von einem naturwissenschaftlichen Blick auf kulturelle Erzeugnisse bis hin zur Erforschung ästhetischer Phänomene in den Nischen der Natur reicht. Der Blick auf das Verborgene vermag also auch den breiten Graben zu überbrücken, der sich in unserer arbeitsteilig ausgerichteten Kultur zwischen all diesen Wissensbereichen auftut. Das Okkulte Weiterlesen

ORCHIS: A Dream

Die Geschichte des World Serpent-Vertriebes ist eine Geschichte von Licht und Schatten, in deren Verlauf so manche musikalische Wegmarke gesetzt wurde, aber auch eine Reihe an mittelmäßigen Erzeugnissen zu Ruhm gelangten. Im Schatten der großen Namen, mit denen jeder Musikinteressierte heute etwas verbindet, gediehen auch eine Reihe an unscheinbareren Geheimtipps, die musikalisch oft etwas spröder waren und sich schwerer zuordnen ließen. In diese Gruppe gehörte auch die Folkband Orchis, die mit WSD besonders verknüpft war, da Mitinhaber Alan Trench zugleich eine ihrer treibenden Kräfte war. Weiterlesen

TAKATSUNA MUKAI: Śūnya

Sich auf eine Sparte, ein Genre oder eine Tätigkeit zu beschränken, war noch nie die Sache von Takatsuna Mukai, der bei Theater und Film ebenso zuhause ist wie in unterschiedlichen, meist für ihre Experimentierfreudigkeit bekannten Musikstilen. Wenn er nicht gerade Filmrollen (u.a. „Night Train“, „The Grudge 3“) übernimmt, widmet er sich seinen musikalischen Ideen als Komponist, Produzent oder Virtuose an diversen Instrumenten. Dass dieser Spannbreite nichts Unentschiedenes anhaftet, demonstriert einmal mehr sein aktuelles Album „Śūnya“, eine Sammlung von zwölf kollaborativen Arbeiten. In den jam- oder remixartigen Aufnahmen mit internationalen Künstlern entstand so etwas wie ein Kulminationspunkt seiner bisherigen Arbeiten. Zugleich Weiterlesen

MIA ZABELKA, ZARAH MANI & LYDIA LUNCH: Medusa’s Bed

Im alten Mythos ist Medusa – La Maledetta – die große Ausbremserin und in der Lage, jeden Enthusiasmus, jede Aufbruchstimmung ebenso zu Stein erstarren zu lassen wie den sterblichen Helden, der es wagt, in ihr durch einen Fluch erstarrtes Antlitz zu schauen. Wo die Medusa steht, ist die Grenze, die Sackgasse, in ihrem tödlichen Blick enden Geschichten. Die allerdings fallen nicht dem Vergessen anheim, vielmehr werden sie zu ihrem eigenen Monument. Doch wie so manches Fatum kann Medusa überlistet werden, und obwohl keineswegs von menschlicher, sondern von göttlicher Gestalt, ist auch sie sterblich. Weiterlesen

MAI MAI MAI: Theta

Toni Cutrone, der sein Soloprojekt Mai Mai Mai nennt, ist eine umtriebige Person und hat der Undergroundszene Roms schon in jungen Jahren seinen Stempel aufgedrückt. Gerüchte künden von einer Kindheit in der griechischen Ägäis und Reisen quer durch Europa und den mittleren Osten. Italiener rollen allerdings mit den Augen, wenn das zur Sprache kommt. Ein moderner Münchhausen? Das wäre bei jemandem, der meist mit Maske auftritt, nicht so verwunderlich, doch einige seiner Taten sind offiziell verbrieft: Sein rühriger Club, sein Label und die Bands Hiroshima Rocks Around und Trouble Vs. Glue, mit denen er Noiserock und ein Weiterlesen

VORTEX: Kali Yuga

Dark Ambient ist oftmals weniger Musik zum Beschallen von Räumen, sondern vielmehr der Versuch klanglich einen locus horribilis zu erzeugen. Dabei bietet sich eine Bezugnahme auf seit Jahrtausenden existierende Vorstellungen vom Ende der Welt natürlich besonders an. Diese Vorstellungen, die in krisenhaften Situationen „den Bewusstseinsmarkt und die Kulturindustrie“ (K.L. Pfeiffer) überschwemmen, werden häufig als apokalyptisch bezeichnet, dabei wird der Begriff Apokalypse als Synonym für Weltuntergang verstanden, damit allerdings seiner ursprünglichen Bedeutung (Enthüllung) beraubt, da vergessen Weiterlesen