NURSE WITH WOUND & ARANOS: Acts of Senseless Beauty (Re-Release)

Das Gesamtwerk von Nurse With Wound ist ungemein vielgestaltig. In den ersten Schaffensphasen, in der Zeit der späten 70er und frühen 80er, trat Stephen Stapleton (zunächst mit Band-Verstärkung) mit einem opulenten und ereignisreichen Kollagensound an die Öffentlichkeit, kombinierte dabei bedrohlich klingende, zum Teil brutale Dunkelheit mit einem Faible für Triviales. In dieser Zeit bildeten sich mehr oder weniger alle Imagkomponenten des Projektes heraus, angefangen von einer absurden Ironie nach Dada-Art über einen surrealen Sinn fürs Überrationale bis hin zu einem in der allgemeinen Wahrnehmung oft unterschlagenen Hauptthema der Band: Die Erotik in all ihren abgründigen Facetten. Weiterlesen

SAMARIS: Hljóma Þú

Der Name Island hat eine ungeheure Resonanzkraft, die der archaischen Landschaft – welch Paradox: Ist doch das geringe Alter der Insel der Grund für die unberechenbare(n) Natur(gewalten) – geschuldet ist und wie bei keinem anderen Land der Welt wird eben diese Landschaft evoziert, um die Musik isländischer Künstler zu erklären und beschreiben. Zwei Beispiele, die ohne langes Suchen exemplarisch für den Konnex Natur-Kultur (Musik) Weiterlesen

Hallucinatory Mahdis and Æons. Andrew Gilbert & David Tibet in Berlin

Die Maler Andrew Gilbert und David Tibet sind ein ungleiches Gespann, und doch verbunden durch einige interessante Gemeinsamkeiten. Beide sind Kinder des British Empire, und auf je eigene Weise prägte das auch ihr Werk. Tibet, der als Sänger von Current 93 eines der interessantesten und eigenwilligsten Kapitel alternativer Musikgeschichte schrieb, kam in der ehemaligen Kronkolonie Malaysia zur Welt und verbrachte dort seine Kindheit. In „England’s Hidden Reverse“ äußerte er, wie sehr ihn das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen und Religionen beeindruckte. Weiterlesen

FREIDA ABTAN: The Hand of the Dancer/The Temple of the Dreamer

Wer hierzulande schon einmal etwas von Freida Abtan gehört hat, der könnte ihr eventuell im Zusammenhang mit Nurse With Wound begegnet sein. Auf dem teilweise poppigen “Huffin’ Rag Blues”-Album hat die Kanadierin an einigen Stellen Gesang beigesteuert. Am markantesten bei “Thrill of Romance…?”, einem Song, der aus einem imaginären Massive Attack-Score zu “Eraserhead” stammen könnte. Hier lieh sie dem Klischee der von Verlangen zerfressenen und ihren Liebhaber sehnsüchtig erwartdenden Frau ihre Schmachtstimme, begleitet von einem entspannten Trip Hop-Beat und unheilschwangeren Sitharklängen. Weiterlesen

CINDYTALK: Silver (7”)

In der Athener Konzertlocation Six D.O.G.S ist das Jahr 2011 ein Jahr der Klänge und Farben. Über eine Zeit von elf Monaten organisiert Kurator Angelos Petroutsas insgesamt sieben Auftritte internationaler Musiker, die sich unter dem Projektnamen “We Dream In Colour” jeweils einer bestimmten Farbe widmen. Etwas bluming werden die Konzerte als künstlerische Reise vom Mond zur Sonne bezeichnet, die aus den Mitschnitten zusammengestellten Aufnahmen, die jeweils als 7” bei Tourette erscheinen werden, als farbenprächtige Blüten. Weiterlesen

JELLO BIAFRA AND THE GUANTANAMO SCHOOL OF MEDICINE: Enhanced Methods of Questioning

Jello Biafra war nicht bloß Sänger in einer Punklegende, und er ist auch nicht bloß Betreiber eines der renommiertesten Independent-Labels weltweit. Ich glaube, es gäbe keine griffige Bezeichnung, die seine Bedeutung für dreißig Jahre Gegenkultur nicht herunter brechen und in ein allzu enges Vorstellungskorsett zwängen würde. Mit den Dead Kennedys überführte er den cartoonhaften Galgenhumor eines Robert Crumb, der schon immer viel zu sarkastisch für die gängige Hippie-Konnotation war, in die abgeklärte Zeit um 1980. Weiterlesen

V.A.: Home Taping Is Music, Vol. 2

Woodland Recordings existiert nun schon seit ein paar Jahren und hat eine durchaus respektable Entwicklung zu verbuchen. Seinem Low Budget- und DIY-Gestus treu geblieben, konnte sich das Label einen eigenen kleinen Platz in der Musikszene erobern, und damit ist vor allem die britische und die deutsche gemeint. Viele der auf dem Label vertretenen Künstler verbindet eine Tendenz zum Folk oder vielleicht allgemeiner gesprochen: zum Akustiksound. Weiterlesen

SIXTH JUNE: Back For A Day

Irgendwann vor ein paar Jahren waren sie da, die Achziger als positive Bezugsgröße derzeitiger Popmusik. Schnell waren sie allgegenwärtig, zuletzt so selbstverständlich, dass man sie bald kaum noch hervorheben musste. Mittlerweile kann man die Frage, inwiefern sie nur Vorstufe von etwas waren, das noch kommen sollte, unter veränderten Vorzeichen neu stellen. Ein großes Novum, das sich im New Wave und seinen musikalischen Ausdrucksformen abzeichnete, war eine neue Sprache über Liebe Weiterlesen

V. A.: Thanateros – Visions Of Love & Death

Jede Subkultur kennt sie: Familientreffen, bei denen sich alte Freunde die Hand schütteln, sich gegenseitig versichern, dass man noch immer zusammen gehört, auch wenn sich die Bande über die Jahre etwas gelockert haben. Familien dieser Art bilden sich häufig im Umfeld beliebter Bands oder im Dunstkreis einiger Kultlabels. Gelegentlich auch um Magazine. Weiterlesen

CONTROLLED BLEEDING: Odes to Bubbler

Inmitten der akzellerierenden und ins Absurde gesteigerten Genreneuschöpfungen sollte man sich der Einfachheit halber vielleicht darauf einigen, dass es auf der einen Seite die Bands gibt, denen man Konsequenz bescheinigen kann, deren Werk sich nur minimal(st) ändert und die die an sie gestellten Erwartungen niemals enttäuschen – die Kehrseite ist eine oftmals große Vorhersehbarkeit, die ermüdend sein kann, von vielen Hörern aber sehr geschätzt wird (der Hörer möchte „nicht in seiner Ruhe gestört sein […] sondern [ist] schon glücklich […], wenn er die alte, vertraute Landschaft wiedersieht“ (Bataille)). Weiterlesen

MARC ALMOND & MICHAEL CASHMORE: Feasting With Panthers

Ein Festmahl mit Raubtieren – eine ebenso reizvolle wie bedrohliche Situation, bei der es zwangsläufig vom Wesen des einzelnen abhängen muss, welche der beiden Empfindungen als stärker wahrgenommen wird. Im spätviktorianischen England, als dekadente Ausschweifungen vor der Fassade bürgerlicher Prüderie gerade einen rebellischen Geist versprühten, bezeichnete man mit dieser Wendung eine konkrete Situation. Es ging um die Neigung reiferer Herren, sich die Gunst weniger betuchter Jünglinge zu erwerben. Und um das Risiko, dadurch Opfer eines Skandals zu werden. Weiterlesen

THE HAXAN CLOAK: s/t

Es ist erfreulich, wenn in einer Zeit der zunehmenden Irrelevanz von Musik noch Labels existieren, die eine konsequente Labelpolitik betreiben. Dabei haben es Aurora Borealis in den letzten Jahren geschafft, im Spannungsfeld zwischen Akustik und Elektronik, zwischen Song und Experiment Bands zu veröffentlichen, die alle eine eigene, oftmals sehr originelle Handschrift tragen. Ich habe schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass eine Reihe der Künstler dieses Labels versuchen, einen locus horribilis zu erschaffen, Musik machen, die den Hörer in Regionen versetzen soll, in denen nichts (mehr) sicher zu sein scheint, Weiterlesen

FOVEA HEX: Here Is Where We Used To Sing

„Down down to the valley to dream of the faraway“

Als zwischen 2005 und 2007 die drei Mini-Alben „Bloom“, „Huge“ und „Allure“ veröffentlicht wurden, die die „Neither Speak Nor Remain Silent“-Trilogie konstituierten und später in einer Box zusammengefasst wurden, ging ein Rauschen durch den Blätterwald: Clodagh Simonds, in den 60ern Vokalistin bei MELLOW CANDLE und später kurzzeitig Gastsängerin bei u.a. THIN LIZZY und Mike Oldfield Weiterlesen

MARISSA NADLER: Marissa Nadler

Es hat immer den Hauch von etwas besonderem, wenn ein Musiker oder eine Band nach einigen Jahren erstmals ein selbstbetiteltes Album herausbringt. Es kann, wie beim berühmten schwarzen Album Metallicas ein endgültiges Ankommen im Mainstream markieren, oder auch für die Selbsteinschätzung stehen, nun endgültig den eigenen, unverwechselbaren Stil gefunden zu haben. Etwas wie auch immer Endgültiges scheint da stets anzuklingen. In Marissa Nadlers Fall dürfte ersteres zum Glück nicht gelingen, doch in der Tat scheint sie musikalisch ein bisschen zu sich selbst gekommen zu sein. Weiterlesen

ORGANUM: Sorow

David Jackman ist ein Meister der Reduktion: Waren die frühen auf L.A.Y.L.A.H. erschienenen Veröffentlichungen noch von Bildern (u.a. einem mittelalterlichen Holzschnitt oder einem ägyptischen Motiv) geziert, folgten an Max Ernst erinnernde komplexe Kollagen, später fanden sich nur noch Photos, bevor auf den Veröffentlichungen der jüngeren Zeit (wie auch schon bei den Compilations „Volume One“ und „Volume Two“) völlig auf das Piktorale verzichtet wurde und eine völlige Konzentration auf das Wort, auf den Titel stattfand. Weiterlesen

ROZZ WILLIAMS / PREMATURE EJACULATION: Body of a Crow

Die (Wieder-)Veröffentlichung von Rozz Williams’ „Lost Recordings” geht in die fünfte Runde. Unter dem Projekttitel The Happiest Place on Earth (der natürlich an Disneyland anspielt) 1986 auf Tape gebannt, knüpfen die von Williams und Chuck Collison gemachten Aufnahmen nahtlos an Premature Ejaculation-Tracks an. Auf „Body of a Crow“ finden sich 26 kurze Stücke, die wieder stark loopbasiert sind. Weiterlesen

ARBEIT/BEAUCHAMP/PALUMBO: Torino 012010

Ich weiß nicht, wann Jochen Arbeit erstmals auf das schon länger befreundete Gespann Beauchamp und Palumbo gestoßen ist, das meist noch zusammen mit Julia Kent unter dem Namen BLIND CAVE SALAMANDER firmiert. Die Zusammenarbeit der drei Klangbastler stand jedenfalls von Beginn an unter einem guten Stern. Seit Jahren touren sie inklusive Verstärkung, und die sanfte Dröhnung ihrer gemeinsamen Jams dürfte gerade für den Gitarristen der EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN eine willkommene Abwechslung darstellen. Weiterlesen

MIMICOF: RundSkipper

Die aus Kyoto stammende Pianistin und Soundkünstlerin MIDORI HIRANO hat sich mit ihren Tonträgern und Filmscores längst auch in ihrer deutschen Wahlheimat einen Namen gemacht. Mit ihren ambienten Klangwelten, deren meditativer Charakter stets hervorgehoben wird, ist die Musikerin ein regelmäßiger Gast auf Berliner Bühnen; Club Transmediale und das bekannteste Filmfestival der Stadt sind dabei nur bekannte Wegmarken, kleinere Themenabende wie zuletzt bei Staalplaat willkommene Gelegenheiten, ihre Musik auch im kleineren Rahmen zu präsentieren. Weiterlesen

DAVID ÅHLÉN: New Jerusalem

Wenn in subkulturellen Kontexten Bezug auf Religion genommen wird, so wird das oft (nur) in der Übersteigerung, im Spektakulären goutiert und akzeptiert, etwa in der Beschwörung der Apokalypse, dem sich Nutzbarmachen des Feuer und Schwefel-Vokabulars des Alten Testaments (z.B. Eugene Edwards), in dem Gott noch ein strafender war. Oder aber man vertont Hymnen randständiger und abseitiger Gruppierungen (wie jüngst SABBATH ASSEMBLY). Weiterlesen