RAISON D’ÊTRE: Mise en Abyme

Peter Andersson hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten in den verschiedensten Spielarten des (Post-)Industrials ausgetobt, und auch wenn das manchmal durchaus rabiat ausfallen konnte (man denke etwa an Panzar oder Stratvm Terror), dürfte am bekanntesten aber (immer noch) Raison D’Être sein, sein Projekt, mit dem viele ihre erste Begegnung auf Cold Meat Industry (respektive dem Tapesublabel Sound Source) gehabt haben dürften und das durch Titelgebung der Alben und Songs („Enthraled By The Wind Of Lonelienes“, „The Empty Hollow Unfolds“, „Within The Depths Of Silence And Phormations“, „Requiem For Abandoned Souls“ – eine Liste, die fast beliebig fortsetzbar wäre), Artwork (oftmals verwaschene, verschwommene Bilder) und der Kombination von Weiterlesen

MUNMA: No Apologies

Da die Neigung, Unterschiede als Gegensätze wahrzunehmen, recht verbreitet ist, klafft auch zwischen den Welten der „elektronischen“ und der „experimentellen“ Musik ein Abgrund, der weniger über die Musik aussagt, als über einen Großteil ihre Hörer. „No Apologies“ von dem hierzulande noch mysteriösen Geheimtipp Munma ist eine Platte, die in Gazetten wie De:Bug passt und in Locations gespielt wird, in die sich der Staalplaat-Hörer und A-Musik-Kunde in der Regel nicht verläuft. Was schade ist, denn die dunklen Kollagen des Bastlers aus Beirut dürften genreübergreifend Gefallen finden, vorausgesetzt, man braucht es nicht allzu eingängig und hat grundsätzlich eine Schwäche für Frickeleien. Weiterlesen

Ô PARADIS: Los Olvidados

Demian Recio betreibt sein Einmannprojekt Ô Paradis nun schon seit rund fünfzehn Jahren und hat es dabei zu einer Meisterschaft im Zusammensetzen und Verwandeln von Tönen gebracht. Das Besondere an seiner Arbeit ist jedoch, dass er auf dem Weg des Samplens und Montierens stets wohlklingende Lieder zustande bringt, die viel erdiger und traditioneller anmuten, als man es bei dieser Herangehensweise erwartet. Der Eindruck von etwas Ursprünglichem, eine Art magischer Realismus, eignet seiner Musik, obwohl der am Reisbrett entstandene Mosaikcharakter stets offenliegt. Weiterlesen

HAUSCHKA: Abandoned City

Mann nennt ihn den Meister des präparierten Klaviers: Volker Bertelmann alias Hauschka, der nach seinem letzten Exkurs in die Kammermusik wieder zum Solospiel zurück gefunden hat und begleitet von einer dezenten Drummachine und programmierten Bassläufen lediglich Klavier spielt. Dies freilich schließt bei dem Düsseldorfer einiges mit ein, das nur vage an ein Piano erinnert und mittels Gerätschaften wie Holzstäbe, Flilzkeile und ein im Klavierkasten angebrachtes Becken zustande kommt. Weiterlesen

ANGEL HAZE: Dirty Gold

Über Angel Haze’ Debütalbum wurde im Vorfeld bereits so viel Wirbel gemacht, dass es zum Jahresbeginn gerade noch rechtzeitig erschienen ist, bevor die launische Fortuna, die in populärer Musik immer eine gewisse Torschlusspanik rechtfertigt, die Wogen der Aufmerksamkeit schon vorzeitig geglättet hätte. In der Warteschleife unterhielt die Klatschpresse mit Szene-Rangeleien, darüber hinaus wurden die biografischen Sujets der Rapperin, die von traumatischen Kindheitserfahrungen im Paralleluniversum einer religiösen Subkultur handeln, auch außerhalb der Texte genüsslich breitgetreten. Nun bräuchte es bei all dem Rummel einen echten Hammer, eine besonders unerhörte Wendung, mit der Weiterlesen

THE COSMIC DEAD: Easterfaust

Eine „kosmische“ Band, die sich selbst als Hawkwind-Hommage outet, ist klar im Vorteil und punktet zusätzlich, wenn sie ihren doomigen 70s-Psychedelia eine eigene Note beimischt – ein mustergültiges Beispiel gelungener Tiefstapelei. Die kosmischen Toten gründeten sich 2010 in Glasgow und haben seither eine Reihe solider Platten unters Volk gebracht, u.a. bei Jay Rendalls rührigem Grindcore Karaoke-Label. Vielen sind sie auch als Support für Größen wie White Hills, Gnod oder Arbouretum in Erinnerung geblieben. Unter dem krautigen Titel „Easterfaust“ erscheint nun bei Sound of Cobra ihr jüngstes Lebenszeichen. Weiterlesen

CYCLOBE: Sulphur – Tarot – Garden

Als Cyclobe 2012 auf Einladung von Antony in der Queen Elizabeth Hall auftraten, konnte man eine auf 200 Exemplare limitierte CD-R namens „Sulphur – Tarot -Garden“ kaufen, auf der ihre (neu komponierten) Soundtracks für drei frühe, zwischen 1972 und 1973 erschienene, ursprünglich tonlose Kurzfilme Derek Jarmans zu finden waren. Die Verbindung zu dem 1994 verstorbenen Künstler reicht lange zurück. Coil (damals bestehend aus Stephen Thrower, John Balance und Peter Christopherson) komponierten den Soundtrack für Jarmans „The Angelic Conversation“, Thrower trat als Statist in „The Last of England“ auf und sowohl Thrower als Weiterlesen

THE MINISTRY OF WOLVES: Music From Republik der Wölfe

Am 15.02. dieses Jahres wurde im Schauspiel Dortmund erstmals das Stück „Republik der Wölfe“ aufgeführt, eine opulente Adaption bekannter Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm, oder genauer eine Adaption zweiten Grades, denn die Ideen und Texte basieren v.a. auf der lyrischen Neubearbeitung der Autorin Anne Sexton. Regisseurin Claudia Bauer arbeitet bei der Produktion eng mit dem musikalischen Leiter des Theaters, Paul Wallfisch, zusammen, und in den bisherigen Besprechungen ist neben Sexcrime und Splatter immer auch von der Musik die Rede. Wallfisch, selbst ein Weiterlesen

PETER KASTNER: Bastard 1-5

Der Bastard – einst der Spross einer Verbindung, die nicht sein durfte, quasi der kleine Bruder des „Mischlings“. Heute dagegen ist er der große Bruder des missratenen Sohnes. Man nennt ihn beim Namen, ohne dabei allzu vulgär sein zu müssen, und kann dabei sogar noch einen Funken Bewunderung mit anklingen lassen – the lucky bastard u.s.w. Peter Kastner hat sich, wenn er gescheit ist, zu all dem keine allzu tiefgreifenden Gedanken gemacht, als er vor einiger Zeit die fünf in New York gezeugten Bastarde in die Welt gesetzt und auf LP hat pressen lassen. Er betrachtet sie als Weiterlesen

JASON VAN GULICK: Entelechy

Ein Solo-Album, das diese Bezeichnung wirklich verdient, könnte kaum einen besseren Begriff zum Titel wählen wie die Entelechie, womit die antiken Philosophen eine aus eigener Kraft generierte Entwicklung verstanden, etwas Selbstschöpferisches, das ganz ohne Zugriff auf Systemfremdes auskommt. Man sollte Jason van Gulicks Debüt nicht ausschließlich über diese Referenz begreifen, doch der Bezug drängt sich aus zweifachen Gründen in den Vordergrund. Weiterlesen

NOVÝ SVĚT: Doce

Nový Svět, die beiden Wiener mit ihren schrägen, meist auf Spanisch gesungenen Gassenhauern, galten zeitlebens als Rarität, als Auskennerding, als von wenigen gehüteter Schatz, und doch waren sie eine der wichtigsten Bands im vergangenen Jahrzehnt, nahmen vieles vorweg und versahen ebenso vieles mit einem treffenden, doppelbödigen Kommentar. In den Industrial- und Folk-Nischen, in denen sie wohl doch noch am meisten wahrgenommen wurden, nisteten sie sich nur für kurze Zeit ein, stellten dort die wichtigsten Selbstverständlichkeiten auf den Kopf, um kurz darauf zu ihrer Tour durch ungezählte musikalische Möglichkeiten aufzubrechen. Was immer Jürgen Weber, Ulla Tost und ihre temporären Mitstreiter an Klängen und Stimmungen für ihre Weiterlesen