HERMANN KOPP: Zyanidanger

Als im Jahr 2008 das Album „Under a Demon’s Mask“ von Hermann Kopp auf Galakthorrö veröffentlicht wurde, verwiesen die Referenzpunkte (u.a. Huysmans und Bataille) auf sein Interesse an der Transgression und auch schon seine Arbeiten an drei (von vier) Langfilmen Jörg Buttgereits machten deutlich, dass Kopp sich gerne dem Abseitigen, Morbiden, Heterogenen (Bataille) widmete. Das zweisprachige Portmanteauwort, das dem neuen Album seinen Titel gibt, macht das erneut deutlich. Inspiriert wurde „Zyanidanger“ von dem im 19. Jahrhundert veröffentlichten Werk Die Geschichte der Chemie des deutschen Chemikers, mit dem der Künstler seinen Namen teilt und das in Braunschweig veröffentlicht wurde. Koinzidenzen überall. Weiterlesen

THE INVISIBLE HANDS: s/t

Dass Alan Bishop, mehr noch als sein Bruder Sir Richard, hierzulande nur Leuten mit speziellen Interessen ein Begriff ist – man weiß nie so recht, ob man das bedauern oder doch eher trotzig befürworten soll. An seiner bekanntesten Band, den nach dem Tod des Drummers aufgelösten Sun City Girls, bissen sich bereits federführende Diskursblätter die Zähne aus und blamierten sich in Konzertberichten ähnlich wie seinerzeit die Ruhrpott-Postillen bei den Essener Songtagen. Und wenn immer jemand den improvisierten Stilmix lobt, mit dem die frühen Animal Collective bei all der animistischen Folknähe weder Weiterlesen

OM: Gethsemane Dubplate 12”

Was vor zirka zwei Monaten mit „Addis“ begann, findet nun in „Gethsemane“ seinen Abschluss: Die kurze Remix-Serie zu Stücken des OM-Albums „Advaitic Songs“ durch das britische Roots/Dub-Duo Alpha & Omega, stilvoll verewigt auf Dubplates aus solidem schwarzen Vinyl. Man könnte viel zu den Obsessionen beider Bands sagen, zu Al Cisneros’ integraler Auslotung mystischer Ideen, und zu den wiederkehrenden spirituellen Themen bei A&O. Letztere konzentrieren sich auf Rastafari, doch diese Religion ist sehr mysthisch-orthodox ausgerichtet und liegt folglich dem OM-Kosmos nicht allzu fern. Weiterlesen

ANEMONE TUBE AND DISSECTING TABLE: This Dismal World

Ebenso wie die letzten hier besprochenen Veröffentlichungen von Anemone Tube ist auch diese Split-LP mit Dissecting Table stark konzeptionell ausgerichtet: So geht es auf dem Album um die vier edlen Wahrheiten, die das Fundament des Buddhismus darstellen. Diese lauten, dass das Leben leidvoll ist (vgl. den Titel des Albums), dass die Ursachen für dieses Leid(en) u.a. Hass und Gier sind, die Auflösung dieser Ursachen das Leiden zum Erlöschen bringen kann, und dass man dies durch den edlen achtfachen Pfad schaffen kann. Weiterlesen

HOWLING LARSENS: Fool of Sound and Furry

Stellt man die Howling Larsens als eine Band vor, deren Hauptbesetzung ansonsten bei Orchis und The Gray Field Recordings aktiv ist, dann rechnen viele wohl erst einmal mit akustischen Gitarren, ätherischem Gesang und allen möglichen Begleiterscheinungen, die dunkle, entrückte Folkmusik so mit sich bringt. Bei den hörspielartigen Dialogen, die vor kunstvoll arrangierten Klanglandschaften voll plastischer Alltagsgeräusche geführt werden, denkt man vielleicht sogar an die berühmte falsche Platte, die man versehentlich im Player hat. Selbst ab dem Moment, wenn Weiterlesen

MACELLERIA MOBILE DI MEZZANOTTE: Black Lake Confidence

Die Band mit dem Kürzel MMM nennt ihren Stil Swing Noir und wird erwartungsgemäß gerne mit dem Film Noir in Verbindung gebracht. Zurecht, in gewisser Weise, haftet ihren dunklen, angejazzten Soundscapes doch das Schattenhafte, Abgeklärte an, dass konstitutiv ist für die schwarze Serie und ihre lonerhaften Antihelden. Und doch beinhaltet die Musik etwas, das mit den bewegten Bildern der 40er und 50er Jahre nur bedingt vereinbar ist, ein entgrenzter, splatterhaft-animalischer Ton, der schon im Clive Barker entlehnten Bandnamen anklingt und die vornehme Abgewetztheit dieser Filme immer nur als Weiterlesen

IN ZAIRE: White Sun Black Sun

In einer gepfefferten Auskennerreview könnten In Zaire schlecht wegkommen. Warum kann Rock nicht von seiner eigenen Geschichte lassen? Was kann man noch hinzufügen zu den fraglos interessanten Kapiteln, die Gruppen wie Hawkwind oder Pink Floyd vor rund vierzig Jahren zum Thema psychedelischer Musik eröffneten? Wozu braucht es nach dem jahrelangen Retrohype noch ein weiteres Psych Rock-Album? All diese Fragen sind berechtigt, doch wenn einem „White Sun Black Sun“ trotz allem frisch und radikal erscheint, dann muss es wohl etwas geben, das schwerer wiegt als Innovation. Weiterlesen

PHARMAKON: Abandon

Auch wenn Industrial von Anfang an Grenzen überschritten hat – die Transgression vielleicht sogar das bestimmendste Merkmal war – und wenn ein Viertel der Gründungsband weiblich war, so ist Industrial dennoch immer primär ein Phänomen weißer Männer gewesen – sowohl auf Seiten der Produzenten als auch Rezipienten. Das führt natürlich dazu, dass oftmals in besonderem Maße hervorgehoben wird, wenn eine Künstlerin sich an extremer elektronischer Musik versucht, so auch im Falle von Pharmakon, dem Projekt der 22-jährigen in New York ansässigen Margaret Chardiet, die trotz ihres jungen Alters schon seit einigen Jahren aktiv ist: So war sie ein Gründungsmitglied des Weiterlesen

KENJI SIRATORI: Monster’s Device

Der japanische Autor und Multimedia-Künstler Kenji Siratori hat mit seinem früheren Kollaborateur Andrew Liles nicht nur die Veröffentlichungsfrequenz gemeinsam. Die beiden verbindet auch eine Vorliebe für bedrohliche Szenarien mit einem Hang ins Bizarre und Groteske, der sich nirgends so deutlich zeigt wie in der häufigen Verwendung des Wortes Monster. Jüngst ist seine zweite Graphic Novel erschienen, die den Titel „Monster’s Device“ trägt. Nach eigener Angabe hat Siratori die Beschränkungen des Weiterlesen

CHARLEMAGNE PALESTINE + Z’EV: Rubhitbangklanghear Rubhitbangklangear

Unter den Minimalisten ist Charlemagne Palestine sicher derjenige, der im etablierten und institutionalisierten Musikbetrieb weniger als seine Kollegen wahrgenommen wird. Die Auftritte und Aufnahmen Palestines hatten bzw. haben – nicht nur wegen dem Moment des Repetetiven (der sich auch im Titel widerspiegelt) – (auch) immer einen gewissen rituellen Charakter, etwa wenn z. B. die Stofftiere aus der extensiven Sammlung Palestines auf der Bühne drappiert wurden (vgl. die Rückseite der CD) und er sich den obligatorischen Cognac (der hier das Cover ziert) einschüttete. Und auch Z’EV hat sich sowohl musikalisch Weiterlesen

DANIEL MENCHE: Marriage of Metals

Daniel Menche, mit dessen umfangreichem Werk ich nur punktuell vertraut bin, ist bekannt für konzeptuell stringente Aufnahmen, bei denen meist die Bearbeitung von Sounds einzelner Klanquellen im Vordergrund steht. Das Getöse von Wasserfällen, das Summen von Insekten und diverse Wetterphänomene waren in den letzten Jahren Ausgangsmaterial des amerikanischen Klangmanipulators, die im Endresultat dann unterschiedlich deutlich herauszuhören sind. Sein neues Album trägt den alchemistisch anmutenden Titel „Marriage of Metals“, und was in den beiden Stücken v.a. Weiterlesen

MICK HARVEY: Four (Acts Of Love)

Mick Harvey gehört nicht zu denen, die sich übermäßig viel Zeit lassen für ihre Alben, und wenn man bedenkt, was in der jüngeren Vergangenheit alles auf dem Plan stand – u.a. Touren mit den Neubauten, die Produktion des letzten PJ Harvey-Albums, die Arbeit an einer umfangreichen Serge Gainsbourg-Hommage – dann wundert man sich fast, dass zwischen „Sketches From the Book of the Dead“ und dem jüngst erschienenen „Four (Acts of Love)“ nur knapp zwei Jahre vergangen sind. Aber das passt umso besser, denn in dieser doch sehr australisch geprägten Saison darf neben Simon Bonney, Nick Cave und Hugo Race natürlich auch ein Lebenszeichen des ehemaligen Crime- und Bad Seeds-Mitstreiters Harvey nicht fehlen. Weiterlesen